„Risse sind wie beginnender Hass, man vergrößert sie nicht, man repariert sie!“

 

Dieses Zitat aus einem einleitend gezeigten Trailer dominierte von vorneherein den Vortrag von Shlomo Graber, geboren 1926 in der ehemaligen Tschechoslowakei. Der Holocaust-Überlebende erzählte seine Geschichte am Montag, dem 23. April, allen neunten Jahrgangsstufen der Rosenheimer Gymnasien am Ignaz-Günther-Gymnasium.

Sein Leben nahm schon zu Anfang seiner Jugend eine drastische Wende, da er im Alter von 14 Jahren zum ersten Mal nach Auschwitz deportiert wurde. In Güterwaggons gepfercht und ohne jegliche Informationen wurden die ungefähr 70 Personen in jedem Waggon transportiert – und das ohne eine Möglichkeit, etwas zu sehen. Für viele endete diese Reise tödlich. Sofort nach der Ankunft sah Shlomo Graber seine Mutter und Schwester bei der Auswahl geeigneter und „ungeeigneter“ Arbeiter auf der Rampe zum letzten Mal.

Zusammen mit seinem Vater wurde er einem Test für technische Fähigkeiten unterzogen. Nachdem ihnen die Haare geschoren worden waren, teilte man die Häftlinge, ausgestattet mit den nötigsten Kleidungsstücken, in Baracken ein, in welchen sie unter unmenschlichen Bedingungen schlafen mussten. Auch in der Zwangsarbeit musste er Schreckliches erleben. Aufgrund einer wegen der schweren Arbeitsbedingungen eingelegten Pause wurde er zur Strafe in flüssigen Beton gesteckt und überlebte dies nur knapp. Dies nennt Shlomo Graber seine „erste Begegnung mit dem Todesengel“.

Nach einer weiteren Deportation nach Görlitz, arbeitete Graber mit seinem Vater in einer Fabrik. Ein weiterer Test bestand darin, ein bestimmtes Gewicht zu erfüllen, ansonsten drohte eine Ermordung wegen Arbeitsunfähigkeit. Vom Hunger getrieben versuchte er in der Küche Essen zu stehlen, wobei er fast von SS-Leuten erwischt wurde. Der Koch nahm sich jedoch seiner an und deckte ihn, wodurch Shlomo Graber dem „Todesengel“ wieder entfliehen konnte. Daraufhin arbeitete er dauerhaft in der Küche. Um nicht zu verhungern, klaute er Essen aus dem Schweinetrog. Nach ungezählten weiteren Tagen, bestehend aus Arbeit und ständiger Todesangst, wurden die Häftlinge auf einen Todesmarsch geschickt, da die Russen das Lager einnehmen wollten. Dieser kostete über Tausend Menschen das Leben.

Nach erneuter Ankunft hatte er die Aufgabe, einem oberen Offizier den Kaffee zu bringen und entdeckte durch Zufall einen Zeitungsartikel über den Tod Hitlers. Um die Beweise zu vernichten, bombardierte die SS kurz vor Kriegsende die Lager. Graber und sein Vater überlebten in ihrem Versteck in einer Ziegelei und wurden mit den überlebenden Häftlingen von den Russen befreit und gerettet.

So ist es kaum vorstellbar, dass Shlomo Graber trotz des Verlusts seiner 90 Angehörigen und der schlimmen Erfahrungen keinen Hass im Herzen trägt. Seit 29 Jahren lebt er glücklich mit seiner Frau in der Schweiz und kann dort sein künstlerisches Hobby wieder ausleben. Als einer der letzten Zeitzeugen wendet er sich dieses Jahr zum letzten Mal an seine Zuhörer, da er altersbedingt die weiten Wege nicht mehr auf sich nehmen kann. In seiner Autobiografie „Denn Liebe ist stärker als Hass“ bleibt seine Geschichte aber erhalten. Seine Nachricht an alle Menschen, welche sich jeder zu Herzen nehmen sollte, lautet: „Wer aufgibt, ist verloren“.

J. Jäger und A. Schulze Elfringhoff (9e)