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Einen Zeitzeugen zu erleben, ist ein Privileg. Den Schüler:innen der 10. Jahrgangsstufe war das klar, als am 27.3.2023 Herr Dr. Böttge Ausschnitte aus seinem Buch über das Leben seines Bruders Richard vorlas. Richard war in seiner Jugend von der Stasi verhaftet worden, weil er auf einem Bild Lenin einen schwarzen Schnauzbart aufgemalt hatte. Dafür verurteilte ihn ein sowjetisches Militärgericht – auf Russisch – und er verbrachte fast drei Jahre in Haft. Zwar blieb ihm das Arbeitslager erspart, zu dem er eigentlich verurteilt worden war, aber alle 16 Gnadengesuche seiner Eltern blieben unbeantwortet. In der Haft überstand Richard fürchterliche Bedingungen, Hunger, Zwangsarbeit und Psychoterror. Trotzdem blieb er in der DDR, nachdem er 1953 aus der Haft entlassen worden war. Herr Dr. Böttge selbst entfloh 1961 dem Druck der SED-Diktatur. Kurz vor dem Mauerbau setzte er sich im Alter von 25 Jahren nach Westberlin ab, hielt aber den Kontakt zu seinem Bruder.
Richard Böttge nahm nach der Wiedervereinigung Einsicht in die Akten, die die Stasi über ihn angefertigt hatte und erst da wurde ihm bewusst, welchen entscheidenden Einfluss die Geheimpolizei auf sein Leben genommen hatte, auch nach seiner Haft. Mit diesem Wissen hielt er Vorträge in Schulen und nun, nach Richard Böttges Tod, führt sein Bruder die Aufklärungsarbeit fort. Seine eigene Vita und die seines Bruders beschrieb er anschaulich und beantwortete alle Fragen der Zuhörerschaft. So erhielten die Schüler:innen einen Einblick in das turbulente Leben von Richard und Horst Böttge und damit auch in ein Stück deutsche Geschichte. Herr Dr. Böttge erklärte durchaus historische Zusammenhänge, nahm aber Abstand von geschichtswissenschaftlichen Diskussionen: „Ob man die DDR einen Unrechtsstaat nennen kann, sollen die Gelehrten entscheiden – ein Rechtsstaat war sie nicht, sie war eine Diktatur.“
Vor dem Hintergrund seiner Familiengeschichte schloss er seine Ausführungen mit einem dringenden Appell: Die Jugendlichen sollten sich nicht zurücklehnen und die Politik als ein Thema von „denen da oben“ ansehen; Demokratie brauche Mitarbeit und persönlichen Einsatz, wie gerade momentan klar werde, so Dr. Böttge. Die Demokratie in Deutschland heute zu verteidigen, sei unser aller Aufgabe.